Herzlich Willkommen bei Manuela Keil

DDR-Zeitzeugin und Buchautorin 

ENDLICH - Wochenkinder finden Gehör



Es ist traurig genug, dass es diese Einrichtungen in der DDR überhaupt gegeben hat und als Errungenschaft propagiert wurde. Dass man aber um die vielen Defizite und Traumata dieser wochenweisen Fremdbetreuung wusste, die durch wissenschaftliche Gutachten in den 60ern belegt waren, einfach ignorierte und diese Einrichtungen immer weiter ausgebaut wurden, ist nicht zu verstehen.
Auch ich war von 1962 bis 1967 ein solches Wochenkind in einer kombinierten Wochenkrippen- und Wochenheimeinrichtung in der DDR und glaubte bis etwa zur 2. Klasse, dass jedes Kind in der DDR in einer solchen Einrichtung gewesen ist. Denn schließlich waren doch alle Eltern berufstätig. Als ich etwa 4 Jahre alt und schon über 2 Jahre in einer wochenweisen Fremdbetreuung abgegeben und dort 6 Tage (Samstags bis mittags) in der Woche verbleiben musste, fragte ich meine Mutter des Öfteren: „Warum muss ich denn die ganze Woche da-bleiben?“. Ihre Antwort schien mir als 4jähriges Kind plausibel: „Was willst du denn allein Zuhause? Wir sind doch auch die ganze Zeit auf Arbeit.“
Ohne jeglichen Kontakt zu meiner Familie zu haben – ich hatte Eltern, zwei ältere Halbbrüder und einen leiblichen Bruder –  mit ständig wechselnden Erzieherinnen wusste ich nicht, wo mein Zuhause ist. Meine Familie lernte ich erst mit 7 Jahren kennen und glaubte nun, um meinen Platz in dieser Familie kämpfen zu müssen.
Bis zu meinem Zusammenbruch 2011, ich war 51 Jahre alt, glaubte ich noch daran, dass meine Kindheit normal verlaufen und mein Lebensweg bis zur Wende völlig in Ordnung schien.
Ich weiß davon, dass es viele DDR-Wochenkinder gibt, die ebenfalls in ihrer Lebensmitte sich heute auf die Suche nach Antworten zu ihrem Aufwachsen und zum eigenen „ICH“ begeben. Ich bin heute froh, dass wir Wochenkinder endlich Gehör bekommen und gemeinsam in Gesprächskreisen bzw. Selbsthilfegruppen uns gegenseitig stärken. Ende 2022 fand ich die Berliner Wochenkinder Selbsthilfegruppe und besuchte diese. Ich bin Teilnehmerin an der Studie der Uni Rostock und freue mich nun auf das wissenschaftliche Symposium in der Rostocker Kunsthalle, wo ich viele andere Wochenkinder treffen werde und es erste Zwischenergebnisse der Studie geben wird. Gespräche mit den Betroffenen machen Mut und geben uns Stärke. Deshalb begab ich mich nun eine eine neue Selbsthilfegruppe der Berliner Wochenkinder.
Vom 21. April 2023 bis 23. April 2023 fand ein erstes wissenschaftliches Symposium zu dieser Thematik in der Rostocker Kunsthalle statt, zu der jede(r) Interessierte teilnehmen konnten. Ich war Teilnehmerin an allen Programmteilen und erlebte mich selbst hoch emotional. Die vielen (auch internationalen) Beiträge von Wissenschaftlern machten mich sprachlos, obwohl ich glaubte, dieses Thema schon fertig bearbeitet zu haben. 
Hier der LINK zum Symposium im April 2023:
http://wochenkinder.de/aktuelles/
Und den Flyer der Kunsthalle Rostock:
http://wochenkinder.de/wp-content/uploads/2023/02/2023-Flyer-Symposium-final.pdf